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Gründe und Lösungen für Lieferengpässe im Arzneimittelbereich

Sie bekommen von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt ein Medikament verschrieben und erhalten in der Apotheke die Information: „Ist derzeit leider nicht lieferbar.“ Dieser Satz ist momentan leider öfters zu hören. Wir erklären Ihnen auf unserer Website, was es mit diesem „derzeit leider nicht lieferbar“ auf sich hat – wie es dazu kommt und wie die unangenehme Situation gelöst werden kann.

Generell muss man wissen, dass viele Faktoren die kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln beeinflussen können. Denn

  • Arzneimittel bestehen aus sehr vielen einzelnen Komponenten. Sie werden in den verschiedensten Teilen der Welt zusammengesetzt;
  • dazu kommen komplexe Prozesse in der Herstellung selbst und ebenso in der Qualitätssicherung;
  • speziell aber die derzeitige Situation, also das enorm hohe Infektionsgeschehen, führt zu einer Nachfrage, mit der das Angebot schlichtweg nicht mithalten kann.

Nicht zuletzt liegt die Herausforderung auch im Anspruch der Versorgung selbst: jederzeit das richtige Arzneimittel zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort für die Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen. Das Wichtigste bei alledem aber ist: keine Patientin, keinen Patienten unversorgt zu lassen. Und das gelingt in fast allen Fällen.

Auch wenn jeder einzelne Fall, in dem ein Medikament nicht verfügbar ist, unangenehm ist und alle Beteiligten herausfordert, so darf man dabei nicht vergessen: In Österreich gibt es etwa 16.820 registrierte Arzneimittelspezialitäten. Die Lieferschwierigkeiten betreffen in der Regel lediglich ca. zwei Prozent davon. Das heißt umgekehrt, dass wir in Österreich ein sehr hohes Maß an Lieferfähigkeit haben.

Wann spricht man von einem Lieferengpass?
Von einem Lieferengpass spricht man, wenn ein Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht geliefert bzw. in der ausreichenden Menge zur Verfügung gestellt werden kann. Kürzere Lieferverzögerungen können durch Vorräte bei Arzneimittelvollgroßhändlern und Apotheken gut überbrückt werden.

Ein Lieferengpass bei einem Arzneimittel führt nicht automatisch zu einem Versorgungsengpass: Oft steht das Medikament in einer anderen Stärke, Darreichungsform oder Packungsgröße zur Verfügung. Ist das nicht der Fall, kann in der Regel auf ein anderes Medikament zurückgegriffen werden, das denselben Wirkstoff hat, bzw. auch, nach Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt, auf eine Alternative mit einem anderen Wirkstoff.

Währenddessen setzen die Arzneimittelproduzenten alles daran, ihre Produktion abzusichern - denn klar ist: Jedes Unternehmen hat höchstes Interesse daran, sein Produkt stets am Markt verfügbar zu halten.

„Wir setzen alles daran, dass keine Patientin und kein Patient unversorgt bleibt, wenn das Medikament, das von der Ärztin oder dem Arzt verschrieben wurde, gerade nicht lieferbar ist.“

- Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG

Ursachen und Gründe für Lieferengpässe
Dass es diese Engpässe gibt, ist auf viele Ursachen zurückzuführen, die wir hier näher erläutern.

Preisgestaltung

Der anhaltende Preisdruck gerade bei patentfreien Arzneimitteln (=Generika) hat über die letzten Jahrzehnte zur sukzessiven Abwanderung und in vielen Fällen zur Konzentration der Produktion auf einzelne Hersteller geführt. Das macht Lieferketten anfälliger für Störungen.

Weitere Gründe für Lieferengpässe, die mit der Preisgestaltung zusammenhängen:

  • unerwartete Ereignisse im Bereich der Preis- und Erstattungspolitik
  • reduzierte Lagerhaltung bedingt durch hohen Kostendruck
  • steigende Qualitätsanforderungen, die die Produktion verteuern
  • steigende regulatorische Anforderungen, die die Produktion und den Vertrieb immer komplexer werden lassen (z. B. sterile oder biologische Verfahren)

Akuter Mehrbedarf oder Knappheiten

  • Unerwarteter oder plötzlich und in hoher Menge auftretender Mehrbedarf (etwa bei plötzlich auftretenden Krankheitsausbrüchen, von denen eine große Anzahl an Personen betroffen ist)

  • Knappheit bei für die Herstellung eines Arzneimittels notwendigen Komponenten (chemische Komponenten, Zwischenprodukte, Lösungsmittel, Primär- und Sekundärpackmittel)

Längere Lieferzeiten | Verzögerte Lieferungen

  • Generell längere Lieferzeiten bei Bestandteilen, die im Fertigungsprozess benötigt werden (z.B. Lösungsmittel und Beschichtungen, Papier für Verpackung & Beipacktexte, Verschlüsse, Kunststoff- und Glasbehälter

  • Verzögerte Lieferungen durch andere Anbieter, wenn bei diesen durch den Ausfall eines Herstellers plötzlich mehr Ware nachgefragt wird (sog. Klumpenrisiko, wenn viele Hersteller auf ein und denselben Zulieferer angewiesen sind)

Fachkräftemangel

Anhaltender Fachkräftemangel und Personalausfälle durch Krankheiten (derzeit etwa rasant steigende Infektionszahlen nach Aufhebung der Null-Covid-Politik in China)

Qualitätsprobleme oder Schwierigkeiten im Vertrieb

  • Qualitätsprobleme bei der Herstellung (Verunreinigungen im Produktionsprozess, Mängel bei Verpackung etc.)
  • Probleme im Vertrieb (Ausfall von Kühlaggregaten während des Transportes, geschlossene Grenzen usw.)

Darüber hinaus können sich nicht kalkulierbare Warenabflüsse ins Ausland durch Parallelhandel bzw. Parallelexport als Herausforderungen in der Versorgung erweisen:

Parallelhandel

  • Medikamente haben in Europa nicht überall den gleichen Preis. Österreich gilt im EU-Schnitt als Niedrigpreisland. Spezialisierte Parallelhändler (die in der Regel nicht Hersteller oder Zulassungsinhaber der betroffenen Medikamente sind), machen sich Preisunterschiede zu Nutze, indem sie in einem Land Arzneimittel günstig einkaufen und diese in einem anderen EU-Land teurer wiederverkaufen.

  • Dieser Handel mit Arzneimitteln unter Ausnutzung von Preisgefällen im freien europäischen Warenverkehr ist grundsätzlich legal und mit EU-Recht vereinbar. Allerdings dürfen Medikamente nur dann parallel gehandelt werden, wenn ausreichend Ware für den heimischen Markt vorhanden ist.

Parallelexportverbot

  • Um in Zeiten von Lieferengpässen regulierend eingreifen zu können und weil die Bereitstellung von Arzneimitteln von Seiten der Hersteller nicht auf Zuruf erhöht werden kann, kann das BASG (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit ein Parallelexportverbot aussprechen. Damit wird ein zusätzliches Risiko von Lieferengpässen reduziert.

  • Über welche Arzneimittel ein Verbot zum Parallelexport verhängt wurde, kann jederzeit öffentlich eingesehen werden: https://medicineshortage.basg.gv.at/parallelexportverbot

Mögliche Lösungen für die Arzneimittelversorgung auf europäischer und nationaler Ebene

Die aktuelle Situation ist für alle Betroffenen sehr herausfordernd. Wichtig ist, dass die Menschen nicht unversorgt bleiben:

  • Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) listet alle Medikamente die aktuell von Vertriebseinschränkungen betroffen sind in einem öffentlich zugänglichen Register auf. Die Ärzteschaft kann also bereits vor einer Verordnung prüfen, ob das jeweilige Arzneimittel verfügbar ist.

  • Vielfach können Verschreiber:innen, Apotheker:innen und Patientinnen und Patienten auf andere Medikamente oder Dosierungen ausweichen. Ein Gespräch mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten ist – bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln – jedenfalls anzuraten. Es besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, auf ein Alternativpräparat verwiesen zu werden.

  • Die Apotheken stimmen sich darüber hinaus auch mit anderen Apotheken oder dem Arzneimittelvollgroßhandel ab, um ein bestimmtes Medikament zu erhalten.

  • Aufgrund langer Vorlaufzeiten in der pharmazeutischen Produktion ist es nicht möglich die Produktion auf Zuruf zu erhöhen. Zu den Ursachen konkreter Lieferprobleme oder Rückrufe bei einzelnen Medikamenten kann nur der jeweilige Hersteller selbst Auskunft geben.

  • Österreich und Europa als Produktionsstandort stärken - als Vertretung der pharmazeutischen Industrie sprechen wir uns in jedem Fall für eine Standortstärkung in Europa aus. Voraussetzung dafür ist ein wettbewerbsfähiges Marktumfeld, das es pharmazeutischen Unternehmen ermöglicht, in Österreich oder Europa Produktionsstätten aufrecht zu erhalten bzw. neue aufzubauen.

  • Notfalllager: Zur Bewältigung länderübergreifender Lieferengpässe können nur gemeinschaftliche Maßnahmen herangezogen werden. Statt einer nationalen Bevorratung wäre daher aus unserer Sicht eine auf europäischer Ebene abgestimmte Lösung zu bevorzugen.

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