Ein Wunsch ans Christkind?
Zum Jahresende wird gerne gleichzeitig zurück und nach vorne geblickt. Stark im Fokus liegt dabei der Zustand des Wirtschafts- und Innovationsstandorts Europa. Dieses Thema ist für alle Branchen relevant, so auch für die pharmazeutische Industrie. Und hier möchten wir einen Wunsch äußern, hoffentlich nicht nur einen ans Christkind, nämlich politische Entscheidungen mit einem Augenmerk auf mehr Weitsicht, Mut und mehr Verlässlichkeit zu treffen.
Europa steht an einem Wendepunkt. Vor 25 Jahren kam noch etwa die Hälfte aller neuen Medikamente aus Europa, heute sind es nur mehr rund 20 Prozent. Der globale Wettbewerb ist dabei nur ein Teil des Problems. Viele Herausforderungen sind hausgemacht: komplexe Regulierung, mangelnde Planungssicherheit und wenig Wir-Gefühl, wenn es um Europa geht. Die Folgen sind längst sichtbar: Klinische Studien wandern ab, Investitionen gehen zurück, und Talente zieht es anderswo hin, nämlich dort, wo Rahmenbedingungen klarer und ambitionierter gestaltet sind.
Andere machen es vor
Während die USA mit steuerlichen Anreizen, schnelleren Zulassungsverfahren und massiven Forschungsprogrammen vorangehen und China gezielt in Biotechnologie investiert, verliert Europa weiter an Boden. Zusätzlichen Druck erzeugt der jüngste Impuls aus den USA, das sogenannte „Most-Favored-Nation“-Modell, das Arzneimittelpreise an die niedrigsten internationalen Vergleichswerte koppeln will. Investiert Europa folglich nicht mehr als bisher in Forschung und Innovation, dann könnte die Konsequenz sein, dass innovative Medikamente in Europa verzögert oder gar nicht mehr auf den Markt kommen, was sich auf Patient:innen und die Versorgungssicherheit auswirken würde.
Und Österreich?
Jüngste gesetzliche Anpassungen bringen mehr formale Stabilität, indem beispielsweise Regelungen, die alle zwei Jahre erneuert und adaptiert wurden, zumindest bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode gelten. Gleichzeitig bleibt aber der strukturelle Druck enorm hoch: Besonders bei Nachfolgemedikamenten stoßen Unternehmen aufgrund sehr niedriger Preise, kombiniert mit enorm gestiegenen Kosten, zunehmend an ihre wirtschaftliche Grenze. Für die Zukunft wird entscheidend sein, ob regulatorische Planungssicherheit auch mit marktwirtschaftlicher Tragfähigkeit zusammengedacht wird. Denn ohne diese Balance bleiben Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit nur Schlagworte.
Unser Wunsch ist daher kein romantischer und ans Christkind gerichteter, sondern ein real politischer: Gefragt sind faire und planbare Rahmenbedingungen, die Innovation und faires Wirtschaften ermöglichen, statt dies zu verhindern. Zentral bei ist eine explizite und konkret ausformulierte Life-Sciences-Strategie, die Forschung, Produktion und Versorgung gemeinsam denkt. Ergänzend dazu braucht es ein politisches Umfeld, das Europas Stärken nutzt und weiterentwickelt, statt sie durch Überregulierung zu schwächen.
Die pharmazeutische Industrie ist zentral für Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Exportkraft – und für die Gesundheit der Bevölkerung. Vielfalt im Arzneimittelangebot ist kein Luxus, sondern die Grundlage einer stabilen und resilienten Versorgung. Mal sehen, ob ich mich in einem Jahr mit demselben Wunsch hier wiederfinde. Dann steigt die Chance darauf, dass es einer ans Christkind bleibt.
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Mag. Alexander HerzogSecretary General